Als Vierjähriger kam Pavel Hoffmann mit seiner Mutter ins Konzentrationslager Theresienstadt. Während die Mutter bereits nach 3 Monaten in der Gaskammer umkam, hat der Junge diese Hölle wie durch ein Wunder überlegt.
Heute ist Pavel Hoffmann, 80, noch unermüdlich im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung unterwegs, um interessierte Schulen über sich und das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte zu informieren. Auf Initiative der Lehrerinnen Sieglinde Leibold und Dorothee Faulhaber-Stützel war er jetzt auch in der Dornstetter Realschule zu Gast. Vor 64 Schülerinnen und Schülern der Abschlussklasse. Dies auch, weil der Inhalt der diesjährigen Prüfungslektüre „Mano“ von Anja Tuckermann Parallelen zu Hoffmans Geschichte aufweist.
„Normalerweise fällt mir die Begrüßung leicht – heute nicht“, sagte Schulleiter Uwe Kretschmer als er „den Juden, der den Holocaust überlebt hat“ (Hoffmann) begrüßte. „Ihr seid die erste Generation, die einem Zeitzeugen zuhört. Eure Eltern haben das selten getan. Eure Großeltern gar nicht. Das hat Gründe“, sagte Hoffmann zu Beginn. Vertieft wurde dieses aber im Anschluss nicht.
Zum besseren Verständnis skizzierte der Zeitzeuge zunächst die wichtigsten Eckdaten seines Lebens. Geboren wurde Hoffmann 1939 als Sohn zweier jüdischer Ärzte. Von 1943 bis 1945 war er im Konzentrationslager Theresienstadt interniert, nach der Befreiung lebte er in der Schweiz, in Tschechien und in der Slowakei. Nach dem Studium der Nachrichtentechnik in Prag kam Hoffmann 1968 nach Deutschland und lebt hier heute noch mit Familie in Reutlingen. Hoffmann ist verheiratet, zweifacher Vater und vierfacher Großvater.
„Ich habe zwei Diktaturen erlebt, die stark antisemitisch gewesen sind – eine Nazidiktatur und den Kommunismus.“ Der Umgang mit den Juden und der Judenhass unmittelbar vor und im Zweiten Weltkrieg sei nicht aus dem Nichts gekommen, sondern die Fortsetzung eines 1000-jährigen Antisemitismus gewesen. Überwunden sei diese Haltung bis heute nicht. In vielen Staaten mache sich sogar ein wachsender Antisemitismus breit.
Der „Holocaust war das größte Verbrechen an der Menschheit, weil man Kinder, Frauen, Männer eines Volkes nur deshalb vollständig vernichten wollte, weil sie als Juden geboren worden sind.“
Die Schüler hörten Hoffmann zweieinhalb Stunden ruhig, nachdenklich und außerordentlich diszipliniert zu. Ein kurzer Film über Theresienstadt führte bildhaft vor Augen, wie es dort war. Hoffmann hat nicht nur die Mutter, sondern den Großteil seiner Familie mütterlicher- und väterlicherseits im KZ verloren. Sein Vater wurde unter anderem als Vergeltung für das tödliche Attentat an SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich im Jahr 1942 erschossen. Die Großeltern väterlicherseits wurden drei Wochen später im KZ vergast.
Als Fünfjähriger gerettet.
„In der Familie meiner Mutter haben nur ein Bruder und eine Schwester überlebt, in der
Familie meines Vaters niemand“, fasste Hoffmann das Unfassbare zusammen. Dass er davonkam, gleicht einem Wunder. Obwohl der damals Fünfjährige nicht zum ausgewählten Personenkreis gehörte, landete er kurz vor Kriegsende in einem Judentransport in die Schweiz und wurde gerettet.
Dass Hoffmann das Trauma überstanden hat, liegt aus seiner Sicht daran, dass er damals noch ein Kleinkind war. Auf Fragen der Schüler erzählt er von einzelnen Episoden. Eines Tages bekam ein Teil der Kinder Stofftiere im KZ geschenkt. Er ging leer aus und sei enttäuscht gewesen. Am Folgetag wurden sämtliche Kinder mit Stofftieren in der Gaskammer umgebracht.
Hoffmann erzählt von der Asche der Toten – darunter auch die seiner Mutter -, die in 22 000 Kartons verpackt am Ende in die Eger geschüttet wurde. Und er erzählt von Kindern, die bestialisch in Feuergräben ermordet wurden. „ 90 Prozent der jüdischen Kinder Europas wurden umgebracht.“
Dass der 80-jährige die Geschichte seiner Familie so gut kennt, hat mit seiner intensiven Recherche in Archiven nach Kriegsende zu tun. Hoffmann hatte Bilder und Originaldokumente mitgebracht.
Den Schülern machte er deutlich, dass ihm der heutige Judenhass und die an Juden begangene Verbrechen zwischenzeitlich mehr zu schaffen machen als das, was er damals erlebte. “Hass“ aber empfinde er nicht. , „ ich würde hier sonst nicht leben können“, doch unwohl fühle er sich immer wieder doch.
Jüdische Traditionen lebe er nicht. Von den Schülern verabschiedete sich Hoffmann mit Botschaften : Es reiche nicht aus Gedenktage zu veranstalten und Holocaust-Überlebende einzuladen, wichtig sei es, gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen. Darüber hinaus sollte niemand aus Bequemlichkeit sich einer „Gehirnwäsche der Medien oder Politiker“ unterwerfen, sondern selbständig denken und jede Behauptung, gleich wie moralisch sie ihm vorkommen sollte, auch hinterfragen.